Egal ob du eine virtuelle Konferenz, ein digitales Seminar oder eine Online-Messe organisieren willst, virtuelle Veranstaltungen unterscheiden sich ein wenig von den realen. Deshalb musst du deine Teilnehmer unterschiedlich einbinden und auch dein Event organisatorisch und technisch anders aufsetzen als das analoge. Was du als Eventveranstalter dir bei einem digitalen BarCamp abschauen kannst, das verrät dir heute Jan Theofel. Ein echter Profi in Sachen BarCamp und digitales BarCamp. Los geht’s.
Alles in einem Tool
Je weniger unterschiedliche Tools du nutzt, desto einfacher ist das Handling deiner gesamten digitalen Veranstaltung. Auch wenn du für ein digitales BarCamp vielleicht gar nicht so viele Tools benötigst wie für eine virtuelle Messe. Reduziere die Anzahl der involvierten Tools. So ersparst du dir die oftmals noch manuelle Übertragung von Registrierungsdaten in andere Newslettertools, in deinen Web-Seminar- oder Konferenzraum, in Chattools und so weiter. Auch 1:1 Videocalls und Breakout-Sessions sollten in deinem Konferenztool schon enthalten sein.
Unterschätze diesen Zeitaufwand für das Zusammenspiel von unterschiedlichen Tools nicht. Denn digitale BarCamps oder Events haben noch kürzere Planungszeiten und Anmeldeverhalten als reale Veranstaltungen.
Netzwerkkabel statt WLAN
Das hast du bestimmt schon öfter gehört oder gelesen und es ist wirklich wahr. Die Internetverbindung über ein Netzwerkkabel ist unter Umständen deutlich stabiler als die über WLAN. Erst recht in den heutigen Zeiten und vor allem dann, wenn es auf eine gute Leitung ankommt – wie bei deiner digitalen Veranstaltung. Nutze also als Veranstalter eines digitalen BarCamps oder Events auf jeden Fall selbst ein Netzwerkkabel und animiere auch all deine Speaker und Moderatoren dies zu tun.
Organisatorischer und technischer Support für ein digitales BarCamp
Wie eben schon angedeutet, ein digitales BarCamp bedeutet einen ziemlich großen organisatorischen Aufwand innerhalb kürzester Zeit und das auch noch live. Deshalb brauchst du einen Support. Beispielsweise ist es hilfreich, wenn jemand die Chatnachrichten liest und die Sessionvorschläge in Echtzeit in ein Whiteboard übertragen kann.
Bei meinem letzten digitalen BarCamp hat das für mich u.a. die Eventspezialistin Sara Pamina Bartsch übernommen und das war eine enorme Hilfe. Allein kannst du die Flut der Nachrichten und Tools oder Tool-Funktionen kaum bewältigen.
Es ist wie bei einem realen Event: Da hast du auch ein Orgateam und Helfer oder Hostessen, die Fragen beantworten. Wo ist der nächste Raum und wann findet was statt?
Aufmerksamkeit dank Orgatipps an die Teilnehmer
Hast du dir schon einmal angeschaut, wie das sehr erfahrene Web-Seminar-Organisatoren machen? Die empfehlen ihren Teilnehmern mit Blick auf die bessere Bandbreite immer alle weiteren Fenster im Browser und Anwendungen zu schließen. Das führt sowohl zu einer besseren Übertragung des Web-Seminars oder des BarCamps als auch zu mehr Aufmerksamkeit.
Vielleicht ist es im Moment allerdings auch noch ein wenig der Effekt des Neuen. Meine Teilnehmer berichteten mir jedenfalls, dass sie fokussierter waren als beim Live-Event.
Für mehr Aufmerksamkeit sorgen auch Zeitblöcke von maximal eineinhalb bis zwei Stunden Dauer und echte Pausen. Bei Barcamps also maximal zwei Sessions und dann eine längere Pause. Animiere deine Teilnehmer auch einmal vor die Tür oder auf den Balkon zu gehen. Sag deutlich, wann es weitergeht und wenn du kannst schicke auch Erinnerungen über E-Mail, Whatsapp oder eine Event-App als Reminder ans Pausenende heraus.
Lass in den Pausen ruhig das Video an, für alle die, die gemeinsam Kaffee trinken o.ä. wollen.
Testlauf für deine Teilnehmer
Nach dem Testlauf für dich und dein Orgateam empfehle ich dir auch einen Testlauf für deine Teilnehmer. Ja, für die Teilnehmer. Die meisten sind mit der Technik noch nicht so vertraut und jedes Conferencing-Tool ist ein wenig anders. Gib ihnen die Chance, dein Tool und dein Event vorab ein wenig kennenzulernen und alle Buttons und Verbindungen einmal zu testen.
So stellst du vorher sicher, dass am Tag deines digitalen Events auch alle Teilnehmer dabei sind. Zusätzlich dazu empfehle ich dir eine Technik-Hotline für die Teilnehmer. Diese ist während der gesamten Eventzeit aktiv und macht nichts anderes als via Telefon & Co. deine Teilnehmer immer wieder zu unterstützen.
Tipps für ein digitales BarCamp mit Microsoft Teams
Anbieter für Videokonferenzen & Co. gibt es mittlerweile fast wie Sand am Meer und es werden gefühlt täglich mehr. Mein Tool-Set sieht wie folgt aus: pretix für die Registrierung, Klick-Tipp fürs E-Mail-Marketing und Microsoft Teams für die virtuelle Durchführung.
Warum gerade MS Teams?
Microsoft Teams ist ein großer, zuverlässiger Anbieter mit einer großen Serverkapazität und Durchdringung bei den Anwendern. D.h. viele Menschen nutzen die Plattform bereits. Außerdem bin ich ein Fan davon, eine Plattform zu nutzen, die auch nach dem BarCamp noch da ist. Ein Punkt, der bei realen BarCamps meist nicht so gut klappt. Manche sind auf Twitter, andere auf Facebook, LinkedIn, XING & Co. Nutzt du eine Plattform wie Microsoft Teams haben bereits all deine Teilnehmer einen Zugang – eben durch dein digitales BarCamp. Auf dieser Plattform kann dann auch weiterhin kommuniziert werden. Da liegen alle Aufzeichnungen und Teilnehmer können untereinander später auch noch einen Call machen.
Browserbasiert oder die App herunterladen?
Mein Tipp für dich und deine Teilnehmer: Lad dir die App herunter und nutze nicht bloß die Browser-Variante. Besser noch: Lade dir die App auf dem Smartphone und und deinem Laptop oder PC herunter. Ton und Bild sind auf dem Smartphone meist besser, aber tippen willst du vermutlich lieber auf einer richtigen Tastatur.
Sessions einrichten bevor das digitale Event beginnt
Richte jeden digitalen Konferenzraum (=Call in MS Teams) ein, bevor deine Teilnehmer ins Tool kommen. Machst du das erst nachdem alle “drin sind”, erhält jeder Teilnehmer für jeden Raum eine Einladung. So wie das eben für Besprechungen in Besprechungstools üblich ist. D.h. deine Teilnehmer bekämen 20, 30 oder auch 40 Einladungen von deinem digitalen BarCamp. Das wäre wirklich sehr nervig.
Jede digitale Session erhält einen eigenen Raum
Ein schönes Beispiel dafür, dass wir in der virtuellen Welt umdenken müssen bzw. sollten. In Event-Locations ist es normal, Räume nacheinander zu belegen. Also quasi eine Doppelbelegung. Diese funktioniert in der realen Welt sehr gut. Die Session A findet in Raum 1 statt und nach einer kurzen Pause findet Session B ebenfalls in Raum 1 statt. Digital ginge das auch. Besser ist es jedoch, wenn jede Session einen eigenen Raum hat. In diesem kannst du zuvor die Vorlage für Sessionnotizen anlegen. Z.B. Wer präsentiert hier heute welches Thema und ein paar weitere nützliche Infos. Dann führt ihr dort die Session durch und tragt in diesem virtuellen Raum auch alle Chats und Notizen in einem MS Teams Dokument zusammen. Hinterher finden deine Teilnehmer in diesem Kanal ebenfalls die Aufzeichnung. Das alles ist thematisch fein säuberlich getrennt.
Würdest du unterschiedliche Sessions in einem Kanal stattfinden lassen, hättest du diese thematische Trennung nicht mehr. Daher empfehle ich dir: Ein Kanal für eine Session.
Mein Wunsch: Eine echte Schnittstelle
Die Übertragung der Teilnehmerdaten vom Tickettool in MS Teams funktioniert leider nur manuell. Da gibt es keine echte Schnittstelle und genau die wünsche ich mir künftig noch. Da kommt also manuelle Arbeit auf Veranstalter digitaler Events zu. Bedenke diesen Aufwand bei deiner Personalplanung und bei den Anmeldefristen für dein digitales Event. Schließe die Registrierung mindestens eine Stunde vor Eventbeginn, damit du das Onboarding der neuen Teilnehmer noch irgendwie hinbekommst.
> mehr Tipps und Details für das Technik-Setup mit Microsoft Teams
Vorstellungsrunde beim digitalen BarCamp
Der Sinn einer Vorstellungsrunde bei einem analogen BarCamp besteht hauptsächlich aus zwei Punkten:
deine Teilnehmer lernen sich untereinander besser kennen, d.h. sie wissen wer noch da ist
und die Hemmschwelle für eigene Session-Beiträge sinkt, wenn man schon mal etwas vor allen Anwesenden gesagt hat.
Das würde inklusive der technischen Umsetzung bei einem digitalen BarCamp jedoch viel zu lange dauern. Du müsstest jedem Teilnehmer kurz das Mikrofon anschalten, der müsste sprechen und dann ginge das Sprachrecht an den nächsten. Wenn du mal an den kurzen Schlagabtausch bei realen BarCamps denkst, würde dieses Prozedere wirklich ausufern.
Eine erprobte Alternative für ein digitales BarCamp: Eröffne einen extra Kanal auf dem sich deine Teilnehmer vorab schon kurz vorstellen können. Das kann sich dann jeder durchlesen und weiß gleich zu Beginn, wer noch dabei ist.
Sessionvorschläge beim digitalen BarCamp
Auch die Sessionvorschläge musst du irgendwie in die digitale Welt bringen. Dabei sollten deine Sessiongeber schon auch einzeln zu Wort kommen dürfen. Das kannst du zum Beispiel so machen, indem du die Vorschläge über die Chatfunktion einsammelst. Besser gesagt, das macht deine virtuelle Assistenz für dich. Denn der Chat ist wirklich schnell voll – mit SmallTalk, mit technischen Fragen und mit den Sessionvorschlägen. Sobald dir deine virtuelle Assistenz den Namen des Sessiongebers geschickt hat, kannst du ihm das Mikrofon freischalten. Er kann dann vor allen seinen Vorschlag ausführlicher präsentieren; ganz wie bei einem realen BarCamp.
Diesen Sessionvorschlag kann die Assistenz dann wiederum in ein digitales Sessionboard übertragen. Wer als Eventmanager jetzt noch einen großen Bildschirm in seinen realen Konferenzraum stellt, kann hinter sich auf diesem Screen das sich in Echtzeit füllende Whiteboard mit den Sessions anzeigen. So fühlt sich das digitale BarCamp noch ein wenig realer an.
Digitale Whiteboards findest du im Blogbeitrag Die 17 besten Online Whiteboards im Überblick. Das Regionalbüro Esslingen hat für das letzte Barcamp übrigens Padlet genutzt.
> mehr Infos zum Whiteboard von Padlet.
Preisfindung für ein digitales BarCamp
Unser letztes digitals BarCamp war grundsätzlich kostenfrei – mit der Möglichkeit, eine finanzielle Unterstützung leisten zu können. Das haben wir auf der Basis von Freiwilligkeit und nach dem BarCamp gemacht. D.h. wir haben nach dem BarCamp gefragt, was es den Teilnehmern wert war und ihnen auf dieser Basis eine Rechnung geschickt.
Mein Tipp: Möchtest du auch auf freiwilliger Basis einen Preis für dein BarCamp finden, mach es im Nachgang. Denn dann wissen deine Teilnehmer, was sie erhalten haben. Außerdem haben wir einmal grob vorgerechnet, was allein die Technik für das digitale BarCamp gekostet hat. Dazu kam dann mein Aufwand für das Setup für alle Kanäle, also Sessions, die Durchführung und die Unterstützung durch viele weitere helfende Hände. So eine Transparenz bieten nur wenige Eventveranstalter. Daher haben viele Teilnehmer gar keine Ahnung, was ein Event wirklich kostet.
Datenschutz und Bildrechte bei digitalen Veranstaltungen
Unabhängig von der Wahl deines Tools für ein digitales BarCamp musst du dir ein paar zusätzliche Gedanken über den Datenschutz machen. Beispielsweise sollten deine Teilnehmer über den Umgang mit Bildern informiert werden.
Du kannst beispielsweise zu Beginn jeder Session durch den Sessiongeber, einen Moderatoren oder Techniker verkünden lassen, dass ihr jetzt mit den Videoaufnahmen beginnen werdet. Jeder, der sein Bild nicht in dieser Aufnahme zeigen will, muss jetzt die Kamera ausschalten.
Überlege dir auch, wie du mit Klarnamen umgehen willst. In manchen Tools kann der Teilnehmer kurzfristig seinen Namen ändern und ein Speaker kann die Teilnehmerfragen aus dem Chat anonymisiert beantworten.
? mehr zum Thema Datenschutz erfährst du auch in meinem ebook “So organisierst du Online- und Hybrid-Veranstaltung”.
Wann lohnt sich ein digitales BarCamp? Wann ein reales?
Interessanterweise war das Teilnehmerfeedback ziemlich unisono. Ein analoges BarCamp ist besser. Es ist persönlicher sowie emotionaler und die Teilnehmer möchten das auf jeden Fall behalten und wieder erleben können. Doch wenn es nicht anders geht, dann ist ein digitales BarCamp eine Alternative, die der Live-Version sehr nahe kommt.
Aus meiner Sicht bedeutet das: Ein Live-Event lohnt sich, wenn die Teilnehmer über Deutschland verteilt sind und relativ kurze Anreisewege haben. Events für Teams oder Communities, die aus aller Welt anreisen, werden künftig weniger live und mehr digital stattfinden. Das ist sowohl ökonomischer als auch ökologischer. Dann gibt es das Live-Event vielleicht nicht mehr jährlich sondern alle zwei bis drei Jahre.
Fazit
Ein digitales BarCamp kann dem Erlebnis eines realen BarCamps schon sehr nahe kommen. Entgegen der landläufigen Meinung über die kurze Aufmerksamkeitsspanne von Menschen im Internet berichteten meine Teilnehmer über ein fokussierteres Erlebnis. Wahrscheinlich auch, weil wir die Veranstaltung organisatorisch und didaktisch an die digitale Welt angepasst haben.
Interviewpartner
Jan Theofel, Just Barcamps!
Seit 2008 hat Jan mehr als 150 Barcamps für Kunden und selbst als Veranstalter durchgeführt. Seine Kunden nutzen Barcamps vor allem intern zur Wissensvermittlung und Kulturentwicklung in Organisationen. Mehr über den Barcamp-Moderator findest du auf seiner Webseite. Dort beschreibt er auch sein technisches Setup für digitale Barcamps. Er betreibt zudem die Barcamp-Liste.de, einen Überblick über alle öffentlichen Barcamps im deutschsprachigen Raum.
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