Krisenmanagement, Notfallmanagement, Risikopläne & Co. helfen dir, im Ernstfall richtig zu reagieren. So kannst du das Schlimmste für deine Veranstaltung und vor allem für deine Teilnehmer verhindern. Doch bist du wirklich für den Notfall gewappnet? Hast du lediglich ein paar Pläne für den Fall der Fälle erstellt oder hast du sie auch mit deinem Team geübt? Üben? Ja, üben! Warum das so wichtig ist, erfährst du auf den 319 Seiten des Buches: „Survive. Katastrophen – wer sie überlebt und warum.”* Warum ich dir dieses Buch sehr ans Herz lege, erfährst du in diesem Blogbeitrag. Legen wir los:
Schon der Klappentext verrät den Kern des Buches: Überleben kann man lernen. Besser gesagt: Können wir lernen. Scheint die Situation auch noch so aussichtslos, entscheidend ist, wie wir im Notfall mit ihr umgehen. Stell dir vor, du hast nur wenige Sekunden, um in einer lebensgefährlichen Situation zu reagieren. Doch welche Reaktion ist die Richtige? Und wie verhältst du dich? Bist du vor Angst und Panik gelähmt oder bringst du dich in Sicherheit? Und wie reagieren die Teilnehmer deiner Veranstaltung im Ernstfall? Was spielt sich in unserem Gehirn ab, dass wir manchmal viel besser als erwartet reagieren? Und warum manchmal viel schlechter? Das alles verrät dir die Autorin Amanda Ripley.
Der Überlebensbogen
Katastrophen erleben wir in drei Phasen:
- Verleugnung
- Überlegen
- der entscheidende Moment
Warum ist das Wissen um diese Phasen so wichtig? Weil beispielsweise die Verleugnung zu einer Verzögerungstaktik führt. In dieser Schockphase tun wir so, als wäre nichts gewesen. Zu groß ist der Schock. So lässt sich u. a. erklären, dass einige Menschen am 11. September in ihren Büros anfingen dieselbigen aufzuräumen – statt sich auf dem schnellsten Weg ins Freie zu begeben.
Das Wissen um diese Phasen kann auch dir als Eventmanager und deinen Teilnehmern helfen. Du verstehst so ihr Verhalten besser und kannst sie aktiv auffordern, z. B. das Gebäude zu verlassen. Manchmal musst du sie sogar anschreien. Um ihre Benommenheit zu durchbrechen. Auch wenn du meinst, das müssten sie doch von ganz allein erkennen. Unter normalen Umständen würden sie das auch. Aber eben nicht in besonders extremen Situationen.
Mehr zu den anderen Phasen erfährst du ausführlich im Buch.
Wir können echte Katastrophen überleben
Hättest du gedacht, dass wir auch ernste Flugzeugunglücke überleben können? Ja, es verunglücken viele in so einem Fall. Doch 56 Prozent der Passagiere, die einen solchen Unfall zwischen 1983 und 2000 erlebt haben, haben auch überlebt! Ach und ernst ist ein Flugzeugunglück dann, wenn es sowohl Feuer, als auch schwere Verletzungen und erheblichen Schaden am Flugzeug gibt. Ja, selbst dann können mehr als die Hälfte von uns überleben. Ehrlich gesagt, das hätte ich nicht erwartet. Du?
Das Interessante dabei: Oft hängt es vom Verhalten des einzelnen Passagiers ab, ob er überlebt. Und auch das hätte ich nicht vermutet.
Was kannst du daraus für deine Veranstaltung ableiten?
Wie wir uns verhalten, hängt auch davon ab, ob wir den Ernstfall zuvor üben konnten. Erst wenn wir „wie ferngesteuert“ und quasi blind uns aus der Situation herausbewegen können, erst dann haben wir eine Überlebenschance.
Hast du schon einmal eine Sicherheitsweste im Flugzeug angelegt? Oder aufgepumpt? Hast du je eine der Sauerstoffmasken angelegt? Weißt du auch, warum du zuerst dir und dann anderen die Maske anlegen sollst? Weil es die Stewardess sagt oder weil du den guten Grund dafür kennst? Bist du je bei schlechter Sicht am Boden entlang gekrochen und hast den Notausgang gesucht?
Bist du schon mal die gesamte Treppe, also den Fluchtweg, in einem Hotel oder Tagungszentrum abgelaufen? Hat das jemand aus deinem Team wirklich einmal getan?
Überraschungen vermeiden
Übrigens laufe ich grundsätzlich in Hotels den Fluchtweg nach unten. Es ist sehr spannend, wie dieser in Realität aussieht. Von „da kommst du gar nicht erst im Erdgeschoss an“ bis zu „mitten im Weg steht der Wagen mit der neuen Wäschelieferung“ ist mir schon so einiges begegnet. Wie gesagt: auf dem Fluchtweg. Solange nichts passiert, ist das alles kein Thema. Doch stell dir den Notfall vor. Dann werden solche Überraschungen zur lebensbedrohlichen Falle.
In solche Falle liefen auch viele Menschen in den Twin Towers am 11. September. Sie wussten nicht, dass die Treppenhäuser nicht durchgängig waren. Sie waren den Weg nie abgelaufen. Weniger als die Hälfte der Überlebenden waren je zuvor in einem der Treppenhäuser gewesen. Sie wussten häufig nicht einmal:
- wo sich überhaupt die Treppen befinden,
- wie und wo sie herauskommen würden,
- dass jedes Gebäude über drei Treppenhäuser verfügte
- und dass die Türen zum Gebäudedach verschlossen waren usw.
Frauen ahnten auch nicht, dass sie auf Absatzschuhen nicht herunter kommen würden. So erschwerten viele herumstehende Schuhe den nachfolgenden Personen den Weg nach unten. Und den Feuerwehrleuten nach oben.
Warum ich das so ausführlich aufzähle? Weil es so viele banale Dinge sind. So vieles, was mit einer einzigen realen Übung geklärt gewesen wäre. Und weil dir nun hoffentlich auch klar ist, wie wichtig es ist, dass du für den Notfall übst.
Wenn Pläne für den Notfall versagen
Neben der Übung sind auch realitätsnahe Pläne für den Notfall wichtig. Selbstverständlich sagst du? Leider nicht immer. Nicht selten sind Notfallpläne so konzipiert, dass sie den Anforderungen von Behörden und Sicherheitsbeauftragten entsprechen. Doch leider nicht den der Beteiligten. So hatten beispielsweise die Reisenden in der Londoner U-Bahn im Jahr 2005 keine Möglichkeit, dem Lokführer mitzuteilen, dass es eine Explosion gegeben hatte. Sie konnten auch keine Türen öffnen. Es gab keine Erste-Hilfe-Koffer, mit denen sie selbst anderen hätten helfen können. Die Koffer gab es natürlich. Doch sie lagen in den Büros der U-Bahn-Überwachung. Nicht in den Zügen.
Hast du deine Pläne für den Notfall auch darauf einmal geprüft? Am besten erfährst du das ebenfalls durch eine Übung.
Was wir nicht überleben können
Hättest du’s gewusst? Ich war erstaunt über diese Dreier-Regel:
3 Monate ohne Zuwendung und Liebe
3 Wochen ohne Nahrung
3 Tage ohne Wasser
3 Stunden ohne Obdach unter extremen Bedingungen
3 Minuten ohne Luft
3 Sekunden ohne Lebensmut und Hoffnung
* frei nach Ben Sherwood aus „Wer überlebt?”* Der nächste Buchtipp, wenn du mehr übers Überleben wissen willst.
Was ich in meinen Alltag übernommen habe
Gleich mit oder seit der Lektüre dieses Buches
- habe ich mir Rauchmelder für meine Wohnung gekauft (die waren 2009 noch nicht Pflicht!),
- laufe ich die Fluchtwege in Hotels ab,
- gehe ich mit meinem Team eine neue Location inklusive der Fluchtwege ab,
- erfrage ich die Notfallpläne in Locations und lasse mir Namen und Mobilnummer der Ansprechpartner geben – wenn möglich auch ein Gesicht dazu zeigen,
- schaue ich als Besucher von Großveranstaltungen nach den Fluchtwegen und wähle meinen Standplatz dementsprechend
- und vieles mehr.
Und du? Hoffst du, dass dir und deinem Event nichts passiert? Wärst du auf den Notfall oder auf Katastrophen vorbereitet? Das Buch „Survive“ kann ich dir jedenfalls wärmstens empfehlen. So wie viele andere Bücher aus meiner Bücherecke.
Wie verhalten sich Menschenmengen in einem Notfall?
Fünf wichtige Erkenntnisse aus dem Vortrag von Erica Kinkel zum Thema Crowd Management. Sie ist Katastrophenpsychologin und Doktorandin an der Technischen Universität Delft und hat das Verhalten von Menschenmengen in Notfällen untersucht.
💥 Das Verhalten von Einzelpersonen in einer Menschenmenge ist schwer vorherzusagen.
💡 Das Verhalten von Gruppen lässt sich dagegen leichter vorhersagen.
💥 Viele Menschen in einer Menschenmenge werden statische Notausgangsschilder nicht bemerken.
💡 Die Menschenmassen neigen dazu, den Veranstaltungsort auf demselben Weg zu verlassen, auf dem sie ihn betreten haben. Dynamische Ausgangsschilder und bewegte Inhalte werden besser wahrgenommen.
💥 Personen reagieren oft nicht sofort, wenn sie Anzeichen für einen Notfall wahrnehmen.
💡 Anstatt sofort zu gehen, neigen Menschen in Gruppen dazu, aufeinander zu warten und sich gegenseitig zu helfen. Auf diese Weise bringen sich Menschenmengen selbst in Gefahr.
💥 Die Menschen wollen wissen, was passiert und was zu tun ist.
💡 Biete praktische Informationen und gib klare Anweisungen. Stimme deine Kommunikation auf die Art der Menschenmenge ab und nutze die gemeinsame soziale Identität. Dann wird die Menschenmenge eher das tun, was du von ihr erwartest.
💥 Menschen geraten nicht in Panik.
💡 Schreien, Brüllen und Rennen kann chaotisch aussehen, ist aber keine Panik. Krähen, die vor einer Gefahr fliehen, sind ein normales Verhalten; es ist das Gegenteil von Panik.
👉🏼 Zur Studie "The effects of three environmental factors on building evacuation time"
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