So öde trifft es vielleicht nicht ganz – öde oder anstrengend wäre wohl die bessere Formulierung. Doch warum sind Online-Events und Online-Meetings für viele so anstrengend oder auch so langweilig? Dazu gibt es inzwischen sogar Studien mit interessanten Erkenntnissen. Darüber hinaus habe ich ein paar weitere eigene Beobachtungen mitgebracht. Das und was du dagegen als Teilnehmer oder als Veranstalter tun kannst, erfährst du in diesem Blogbeitrag.
Die ersten vier Argumente stammen aus einer Stanford-Studie bereits aus dem Februar 2021:
1) Übermäßiger und dichter Augenkontakt strengt an
Sowohl der Umfang des Augenkontakts in Videocalls – im Berufsalltag sowie im Rahmen von Online-Events – als auch die Größe der Gesichter auf dem Bildschirm sind für uns Menschen unnatürlich.
In einem normalen Meeting schauen die Teilnehmer einen Sprecher an, machen sich Notizen oder schauen woanders hin. Allerdings schaut in Videomeetings jeder jeden an – die ganze Zeit. Darüber wird in diesem Online-Meeting ein Zuhörer wird nonverbal wie ein Sprecher behandelt. Das bedeutet, selbst wenn du in einem Call nicht selbst sprichst, schaust du immer noch in Gesichter, die dich anstarren. Das führt dazu, dass sich die Anzahl der Blickkontakte dramatisch erhöht. Warum ist das ein Problem? Weil es für die meisten Menschen nichts Schlimmeres gibt, als vor vielen Personen zu Sprechen und von allen „angestarrt“ zu werden. Für die meisten ist das Stress pur. Und den holen wir uns nun also in unsere unzähligen Videocalls im Berufsalltag und auf den Online-Events – zumindest in den Breakout-Rooms und in den Networking-Tools.
Darüber hinaus erscheinen die Gesichter der anderen Personen oft deutlich größer als sie es in der Realität wären und als es die meisten daher als angenehm empfänden. Im „normalen“ Leben würden wir andere Gesichter in dieser Größe nur dann erleben, wenn es intim wird oder wenn es zu einem Konflikt kommt. Und wer will sich auf diesen Abstand schon mit (Branchen-)Kollegen begeben? Das ist also der nächste Stress-Verursacher. Wer nun stundenlang in Online-Meetings „hockt“, bringt sich selbst „in einem hypererregten Zustand“ so Professor Jeremy Bailenson, Gründungsdirektor des Stanford Virtual Human Interaction Lab (VHIL).
Was du dagegen tun kannst:
- Du kannst das Vollbild beenden und die Größe des Videocalls verringern und so die Gesichtsgröße der anderen Personen minimieren.
- Außerdem kannst du eine externe Tastatur verwenden, um den persönlichen Freiraum zwischen dir und den anderen zu vergrößern.
2) Sich in Online-Meetings ständig selbst sehen, ist ermüdend
In den meisten Videocalls im Büroalltag und in Breakout- oder Networking-Sessions sieht man sich dauernd selbst. Das jedoch, so Bailenson, ist unnatürlich. Niemand würde in der realen Welt in Gesprächen mit anderen dauernd in den Spiegel schauen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Studien, die zeigen, dass man sich selbst gegenüber kritischer ist, wenn man ein Spiegelbild von sich selbst sieht. Und was machen wir in Online-Meetings und Online-Events? Wir sehen uns jetzt jeden Tag viele Stunden lang in Videocalls – oft sogar, wenn wir als Referenten selbst etwas präsentieren. Das strengt an, das verursacht Stress.
So kannst du Abhilfe schaffen:
- Blende die „Selbstansicht“ aus, wenn das dein Videokonferenz-Tool zulässt. Probier mal über den Rechtsklick auf deine Videokachel aus, ob das in dem Tool funktioniert.
- Alternativ kannst du auch ein anderes Browserfenster über das Videofenster drüber legen. Z.B. eine leere txt-Datei oder einfach ein schönes Urlaubsbild, das auf deinem Rechner liegt. Oder du verschiebst das Videofenster so, dass dein eigenes Bild dabei „rechts oder links neben dem Bildschirm verschwindet“.
Frag doch auch mal bei deiner Recherche nach der nächsten Videokonferenz-Lösung oder Event-Plattform bei den Anbietern nach, ob solch ein Feature existiert oder geplant ist.
3) Online-Meetings „fesseln“ dich an den Bildschirm
Bei persönlichen Gesprächen oder Telefonaten können Menschen herumlaufen und sich bewegen. Allerdings haben die allermeisten Kameras bei Videokonferenzen ein festes Sichtfeld. D.h. was bedeutet, dass sowohl du als auch dein Gegenüber an der gleichen Stelle bleiben muss. Die Bewegungsfreiheit ist in einer Weise eingeschränkt, die nicht natürlich ist. Und wir als Eventplaner wissen längst, dass Personen, die sich bewegen, bessere kognitive Leistungen erbringen. Deshalb empfehle ich dir als eines der interaktiven Event-Formate ja auch immer wieder Geh-Spräche und ähnliches.
Das kannst du dagegen tun:
- Positioniere deine Kamera so im Raum, dass der Bildausschnitt größer ist und du dich in diesem bewegen kannst.
- Außerdem kannst du auch immer mal wieder dein Videobild in Gruppen-Meetings ausschalten. Oder du bittest den Session-Chair, eine kurze Bio-Pause für alle einzulegen.
- Darüber hinaus kannst du einfach wieder öfter telefonieren. Ich selbst genieße es sehr und vieles lässt sich auch ohne Videobild in einem ganz klassischen Telefonat klären.
4) Videocalls strengen unser Gehirn mehr an
In realen Gesprächen senden und empfangen wir viele nonverbale Gesten und Hinweise. Allerdings müssen wir uns in Videocalls deutlich mehr anstrengen, um diese nonverbalen Signale zu senden und zu empfangen. Darüber hinaus gibt es Gesten, die gerade in Videocalls eine andere Bedeutung haben können als in der realen Welt. Wer in einem Sitzungsraum mal zum Nachbarn schaut, wird deutlich weniger abweisend wahrgenommen, als jemand, der nicht direkt in die Kamera schaut. Zum Beispiel weil er einen externen Monitor nutzt oder weil das Kind im Homeschooling gerade in den Arbeitsraum hereinkam. Die Interpretation und das Senden dieser Gesten ist ebenfalls zusätzlich Stress – für uns und unsere Gesprächspartner.
So kannst du gegensteuern:
- Gönn dir mal eine Bildschirm-Pause und schalte die Kamera aus und schau während der Arbeit auch mal bewusst nicht auf den Bildschirm. Niemand von uns tippt 8 Stunden am Tag, ohne einmal den Blick schweifen lassen zu können.
- Greif auf die klassischen Telefonate zurück.
- Hör dir einen Livestream ruhig auch mal als Podcast, also Audio only, an.
Darüber hinaus kennen viele Eventplaner und Dienstleister noch weitere Aspekte, die Online-Events und Online-Meetings schnell langweilig erscheinen lassen.
5) Webinare und LiveStreamings mit einer einzigen Kameraposition wirken eintönig
Egal ob Online-Meeting, Online-Event oder Live-Event, es gilt fast immer das Motto „Kurz schlägt lang und Abwechslung erfreut“. Dazu gehört auch eine abwechselnde Kameraperspektive. Stell dir einmal einen Action-Film oder eine TV-Show mit einer einzigen Kameraposition vor. Das wäre sehr eintönig und für die Zuschauer schnell ermüdend.
Spannender geht es so:
Besser sind daher wechselnde Bildausschnitte – sowohl was die Perspektive als auch was die Enge oder Weite des Ausschnittes betrifft. Mal ein Close-up, mal eine Totale – so kommt auch für die Augen Abwechslung ins Spiel.
6) Immer der gleiche Ton wirkt einschläfernd
Was für die Kameraposition und den Bildausschnitt zutrifft, gilt auch für den Ton. Ein einzelner Redner kann für die Zuhörer oder Zuschauer schnell monoton wirken. Vor allem dann, wenn er oder sie über weniger Variation in seiner Stimme und seiner Vortragsweise verfügt.
Lebendiger wirkt es so:
Ganz einfach kannst du mehr Abwechslung in die Tonlage der Online-Vorträge bringen, in dem du einen Moderator zu deinem Webinar o.ä. hinzufügst. Dieser begrüßt das Publikum, behält Fragen und die Zeit im Blick und sorgt darüber hinaus für eine wohltuende zweite Stimme in dem Online-Event.
7) Nur passiv konsumieren, ermüdet schnell
Je frontaler, desto langweiliger. Das war schon in der Schule so. Nur da haben es die meisten noch brav ertragen. Zeitgemäße Erwachsenenbildung oder Entertainment sieht anders aus. Deshalb solltest du deine Teilnehmer bei den Online-Meetings und -Events aktiv ins Geschehen einbeziehen. Die Möglichkeiten dafür sind äußerst vielfältig. Vom Sessionchat, über Q&A-Runden, Votings, virtuellen Applaus bis hin zur durchdacht integrierten Gamification gibt es mittlerweile wirklich viel, was du oder dein Referent tun kann, damit deine Teilnehmer wach und begeistert dabei bleiben.
8) Der Online-Teilnehmer ist Teilnehmer zweiter Klasse
Das ist ein recht neues Phänomen, das sich vor allem im Rahmen von hybriden Events beobachten lässt. Sowohl Branchenkollegen als auch ich haben das bemerkt und ich selbst habe mich auch schon so gefühlt. Als Teilnehmer zweiter Klasse. Weil ich „nur“ online dabei war. An dieser Stelle können wir als Eventplaner wirklich noch Potenzial heben und unsere hybriden Events auf das nächste Level bringen. Am besten so, dass sich dann auch die Online-Teilnehmer herzlich willkommen und irgendwie „gesehen“ fühlen.
Was ich damit konkret meine? Hier ein paar beobachtete Beispiele:
- Die Online-Teilnehmer haben eine schlechte Sicht auf die Folien, da diese auf der Bühne ausgespielt, aber nicht separat ins Streamingbild übertragen werden.
- Der Moderator begrüßt die Onsite-Teilnehmer sehr überschwänglich und „irgendwann dann auch die am Bildschirm“.
- Ein Online-Teilnehmer weiß beim Wechseln der Session-Räume nicht genau, was da gerade läuft, weil die Folien und Bauchbinden nur am Anfang eingeblendet werden.
- Der Veranstalter begrüßt beide Teilnehmergruppen mit den Worten „Glauben Sie mir, live ist viel besser“.
- Redner und Moderatoren schauen ständig ins Publikum und kaum in die Kamera für die Online-Teilnehmer.
So vermeidest du’s:
Bring die Folien separat ins Sendebild. Briefe den Moderator und seid beide sensibel für die Zuschauergruppe, die ihr nicht seht. Nimm dir ein Beispiel an TV-Shows mit Publikum im Studio. Blende Informationen über die Online-Session permanent ein und sei dir als Veranstalter bewusst, dass es viele Teilnehmer gibt, die die Vorteile einer remote Teilnahme sehr zu schätzen wissen. Die wollen gar nicht immer live dabei sein. Auch, wenn das eigentlich dein Kerngeschäft ist und du als Veranstalter für Live-Events brennst und dich wahnsinnig über den Re-Start dieser freust. Alles sehr verständlich. Doch das kann gerade für die anderen schnell ins Gegenteil kippen.
9) „Betreutes Lesen“ statt ansprechender Präsentationen
Zum Glück gibt es das nur noch selten: Betreutes Lesen während eines Vortrages. Mit anderen Worten: Präsentationen haben so viel Text, dass der Redner kaum noch etwas sagen müsste, damit man die Folie versteht. Gute Präsentationsfolien haben ein starkes Bild und wenig Text. Wenn man als Teilnehmer das „Handout“ eines Vortrages ohne den gesprochenen Vortrag nicht versteht, waren es ziemlich wahrscheinlich gute Folien. Und natürlich kannst du noch mehr als Folien zeigen, z.B. Videos oder eine Produktdemo. Du könntest jedoch auch einmal ganz auf Folien verzichten.
Fazit
Kein Wunder, dass viele von uns – egal ob als Teilnehmer oder Veranstalter – mittlerweile eine so große Abneigung gegen Online-Meetings und Online-Events entwickelt haben. Das permanente Beobachtetsein, die geringe Mobilität, das anstrengende Interpretieren nonverbaler Signale und vieles mehr machen die täglichen Videocalls und Breakout-Sessions bei Events zu einem puren Stress für uns Menschen. Probier am besten gleich einmal einen der Abhilfetipps und verrate mir, wie es dir damit ergangen ist.
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